Sonntag, November 05, 2006

Maria Straßengel bei Graz

Heiligtümer, die auf Berghöhen stehen, zeugen oftmals von hohem Alter. So auch die der Cistercienserabtei Rein gehörige Wallfahrtskirche Maria-Straßengel bei Graz. Von einem Ausläufer des sogenannten Frauenkogels blickt sie weithin ins Murtal und auf die Gipfel und Höhenzüge des Grazer Berglandes und der Gleinalpe. Sie steht auf dem Platz eines uralten Wachtturmes, der in der slawischen Besiedlungszeit strazelnik hieß, was so viel wie Wachtturm oder -berg bedeutet. Daraus leitet sich das mittelalterliche strazinola und der heutige Name Straßengel für Ort und Kirche ab.
Schon in der Urkunde aus dem Jahre 860 wird an dieser Stelle ein Kirchlein erwähnt, das zum Erzbistum Salzburg gehörte und in der Hauptpfarre Gratwein lag. Im Jahre 1129 kamen, von dem Traungauer Markgrafen Leopold gerufen, Cistercienser aus Ebrach in Franken in die Steiermark und ließen sich in Rein nächst Gratwein nieder. Ihnen überließen die Erzbischöfe Eberhard I. und II. das schon erwähnte Kirchlein zur Abhaltung des Gottesdienstes für die Konversbrüder, die auf den von Markgraf Ottokar III. vermachten Höfen Retz, Straßengel und Judendorf die Feldarbeit errichteten. Auch ein Marienbild erhielten sie von Ottokar, das er 1157 vom Kreuzzug heimgebracht hatte. 1209 wird die Kapelle in einer Urkunde ausdrücklich als Marienkapelle erwähnt. So geht die Marienverehrung auf dem Straßengler Berg bis ins 12. Jh. zurück. Um das Jahr 1255 fällt die Auffindung des sogenannten Wurzelkreuzes, ein aus einer Wurzel gewachsenes Kreuzesbild, das sich in der Folgezeit ebenfalls als Anziehungspunkt frommer Andacht und Wallfahrt erwies.
Die heute bestehende Kirche samt ihrem Hauptturm entstand zwischen 1346 und 1366 unter den Äbten Hartwig und Selfried von Rein. Bei der Planung und Finanzierung des Baues wurden sie von zwei Mitbrüdern namens Johannes und Markus Zeyriker tatkräftig unterstützt. Diese stammten aus Wien und widmeten einen Großteil ihres Erbes dem Bau des Heiligtumes. Sie dürften auch ein Bindeglied zur Wiener Dombauhütte darstellen, deren Einfluß auf den Kirchenbau zu Straßengel erkennbar ist.
Ebenso steuerten Stände und Landbewohner der Steiermark 5000 Pfund Silber zum Bau der Kirche bei, die schon am 8. September 1355 von Bischof Ulrich III. von Seckau geweiht werden konnte. Das Marienheiligtum erfreute sich bald eines regen Zulaufes. Es wird sogar berichtet, daß an manchen Tagen der Gottesdienst auch im Freien abgehalten werden mußte, da der Kirchenraum die Menschenmenge nicht faßte. Viele Schenkungen trugen zur Ausgestaltung und Verschönerung des Gotteshauses bei. Zum Hauptturm erstand ein niedrigerer Glockenturm - mutmaßlich über den Grundmauern des alten Wachtturmes erbaut - mit einem Treppentürmchen. In den Glockenturm wurde eine zweigeschossige Kapelle eingebaut. Im Turm hängen drei Glocken, von denen die zwei größeren aus den Jahren 1455 und 1681 stammen.
Die bedeutendste Änderung erfuhr die Kirche durch den Anbau einer barocken Seitenkapelle und des Sakristeigebäudes mit einem Oratorium im Obergeschoß. Ihm fielen 1754 die schönen gotischen Fenster der Nordseite zum Opfer. Mit dem Standbild der hl. "Anna selbdritt" erhielt die Kirche ein drittes Gnadenbild als Mittelpunkt einer großen Annabruderschaft, die zeitweise sehr großen Anklang fand. Das Mitgliederverzeichnis dieser Bruderschaft ist noch vorhanden.
Im Jahre 1788 kam es unter der Regierung Kaiser Josefs II. zu einer gefährlichen Situation, als die Auflassung und der Abbruch der Kirche angeordnet wurde. Doch die umwohnende Bevölkerung erreichte die Rückgängigmachung des Aufhebungsdekretes. In der Folgezeit blühte die Kirche zu Straßengel wieder zu einer weither besuchten Gottesdienst- und Wallfahrtsstätte auf. Sie gilt auch noch in unseren Tagen als ein Heiligtum, das nicht bloß wegen seiner malerischen Lage und künstlerischen Schönheit, sondern auch zu siller Einkehr und frommem Gebet besucht wird.

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