Montag, Februar 27, 2006

Locherboden - die Heilung der Maria Kalb

Fortsetzung von Teil 3:

Endlich waren alle Widerstände überwunden, Nachbarn stellten eine Kutsche und ein Pferd zur Verfügung. So trat man am 11. September 1871 die Fahrt an. Maria Kalb wurde in die Mitte der Kutsche gesetzt, links von ihr nahm Maria Amstein, damals 23 Jahre alt, Platz und rechts von ihr eine andere Verwandte, Magdalena Hueber. Nachdem die Kranke zeitig in der Frühe noch die heilige Kommunion empfangen hatte, fuhr man los - vorn auf dem Kutschbock saß der Bruder Johann. Über Innsbruck gelangte man gegen Mittag nach Zirl, wo man der Kranken beim Nagele-Wirt eine Fleischsuppe zu essen gab, die sie aber sofort wieder erbrechen mußte. Sonst aß sie den ganzen Tag nichts. Sie war so schwach, daß gegen Abend der Bruder einmal umschaute und frug: "Lebt sie noch?" In Stams lehnte es der Wirt ab, die Kranke und ihre Begleiter über Nacht zu behalten, mit der Erklärung: "Wir haben ohnedies schon eine Leiche im Haus!" - Am selben Nachmittag war nämlich in diesem Haus eine alte Frau gestorben. So mußten sie bis Mötz weiterfahren, wo sie im Gasthaus zum "Römisch-Deutschen Kaiser" Aufnahme fanden. Auf die Frage, ob man es dort zum Locherboden heiße und dort die Gottesmutter sei, antwortete die Wirtin: "Eine Muttergottes ist einmal oben; gehört habe ich davon, aber ich bin nie hinaufgekommen."
Am nächsten Morgen zeitig ging Bruder Johann nach Silz und brachte von dort seinen Bruder Andreas und dessen Frau mit, die helfen sollten, die Kranke nach Locherboden zu schaffen. Die Kranke wurde wieder in die Kutsche gesetzt, und man fuhr, soweit eben der Weg befahrbar war. Am Waldrand mußte das Pferd ausgespannt werden. Von da ab zogen die beiden Brüder den Wagen. Eine Bäuerin, die gerade mit ihren beiden Buben eine kleine Jause nahm, wurde nach dem Bild gefragt. Sie erklärte: "Das ist nichts anderes als die Kanppenhöhle, wo das Bild drinnen ist." Dere jüngere der beiden Buben ging mit, um den Weg zur Knappenhöhle zu zeigen. Die Kutsche ließ man an diesem Platz stehen, das Pferd wurde an eine Lärche gebunden, dann nahm Bruder Johann die Schwerkranke auf seine Arme und trug sie vorsichtig auf den Hügel hinauf. Zwei Stunden brauchten sie für den Weg, den ein Gesunder leicht in zehn Minuten gehen kann.
Endlich gelangte man zur Höhle. Die Kranke wurde auf zwei Kissen gebettet; sie gab kaum noch Lebenszeichen von sich. Die Schwägerin nahm das Mariahilfbild vom Felsen, reinigte es von Staub und Spinnweben und zeigte es der Kranken, die aber nicht einmal die Augen zu öffnen imstande war. Dann beteten sie gemeinsam den Rosenkranz von den sieben Schmerzen.
Nach kurzer Zeit schlug die Kranke die Augen auf, und sie, die bisher zu schwach gewesen war, um mitzubeten, sate deutlich: "Muttergottes, du bist mir erschienen, du bist es, du wirst mir helfen!" Die anderen hörten auf zu beten vor lauter Verwunderung, daß die Kranke laut gesprochen hatte. Dann erhob sie sich, kniete neben den anderen nieder und betete mit ausgestreckten Armen das "Gedenke, o gütigste Jungfrau". Dann setzten alle gemeinsam den Rosenkranz fort. Den ersten Rosenkranz hatte Maria Amstein vorgebetet, jetzt aber begann Maria Kalb selbst den zweiten vorzubeten, denn die Gottesmutter hatte ja verlangt, daß sie ihn beten solle. Beim vorletzten Gesätzchen hatte sie das Gefühl, daß etwas in ihrem Körper vorgegangen sei. Sie fühlte sich auf einmal stark und kräftig. Nach dem gemeinsamen Rosenkranz betete jedes noch eine Zeitlang still für sich. Gegen 11 Uhr mahnte Johann, es sei Zeit, aufzubrechen, denn man habe noch einen weiten Weg zu machen. Er wollte seine Schwester wieder auf die Arme nehmen, um sie den steilen Pfad hinabzutragen. Maria aber erklärte: "Laß mich nur! Mich darfst du nimmer tragen; ich kann schon selbst gehen und bin gesund!" In der Tat ging Maria ohne fremde Hilfe bis zur Mulde hinab. Erst dort kam ihnen so recht zum Bewußtsein, was geschehen sei, und alle freuten sich, daß sie den weiten Weg von Rum bis Locherboden gemacht hatten. Noch ein Weilchen nahmen sie sich Zeit, um die Gegend zu betrachten; alles war so, wie es Maria Kalb bei der Vision gesehen hatte, da waren die Ortschaften Mötz, Silz und Stams, und selbst die drei faustgroßen Steine lagen da. Johann fuhr mit der Kutsche nach Mötz, die übrigen aber, auch Maria Kalb, gingen zu Fuß. In Mötz aß die Geheilte zum erstenmal, und keinerlei Beschwerden stellten sich mehr ein. Dann fuhren sie nach Innsbruck zurück, und nachts gegen 1 Uhr langten sie daheim in Rum an. Am nächsten Morgen war Maria Kalb bereits in der Sechsuhrmesse. Sie konnte von jetzt ab wieder normal essen wie vor ihrer Erkrankung vor sieben Jahren, konnte arbeiten und schlafen. Ein Rückfall trat nicht ein. Sie blieb zwar etwas schwächlich, aber das war sie auch vor der Krankheit schon gewesen. Sie starb am 20. Jänner 1925 zu Rum im Alter von 82 Jahren. In ihrem langen Leben ist sie noch sehr oft nach Locherboden gepilgert, vor allem war sie jedes Jahr am 12. September, dem Tag ihrer Heilung, dort. Sie nahm regen Anteil an der ganzen Entwicklung des Wallfahrtsortes und hat auch persönlich viel von ihren Ersparnissen geopfert. (1)

(1) Was die Krankheit und später die Heilung der Maria Kalb betrifft, halten wir uns an die Schilderung, wie sie P. Meinrad Alois Bader O. Cist. in seinem Büchlein "Locherboden. Seine Rundsicht und seine Wallfahrt", Innsbruck, 1921, bietet. P. Meinrad hat Maria Kalb noch persönlich gekannt und hat sich des öfteren von ihr sowohl ihre Krankheit als auch ihre Heilung erzählen lassen. Auf Seite 106 des erwähnten Büchleins schreibt P. Meinrad: "Zum Schlusse sei noch betont, daß Maria Kalb diese ihre Krankheitsgeschichte, so wie sie hier dargestellt ist und worauf der Verfasser Gewicht legte, vor der Drucklegung genau eingesehen und sie in allen Teilen als vollkommen der Wahrheit entsprechend erklärt hat." - Eine offizielle kirchliche Untersuchung der Heilung hat nicht stattgefunden.

Fortsetzung folgt.

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