Vor altersgrauen Jahren, in rauher Ritterzeit,
Da gabs nicht Dorf, nicht Kirche, nur Wildnis weit und breit.
Da ragten stolze Burgen hochauf auf Bergeshöh'n,
Die heut' nur noch in Trümmern gesunk'ner Größe stehn.
Und eine dieser Vesten ward Pieberstein genannt,
Die war als unbezwinglich im Lande weit bekannt.
Da hauste Frau Friedlinde, die Burgfrau schlicht und mild,
Durch sie ward manche Träne, manch herbes Leid gestillt.
Doch sie auch rafft ein Leiden auf's Krankenlager hin;
Sie aber trägt die Schmerzen mit fromm ergeb'nen Sinn.
Es zog in ihre Glieder die Gicht so qualenreich,
Wie man auch Tränk und Salben veschwendet überreich.
Da hebt sie fromm die Hände zum Muttergottesbild:
"Gib, Mutter voller Gnaden, gib, daß mein Leid gestillt.
Du warst stets mein Vertrauen, warst oft mein Hort und Schild,
Sieh auf mich gnädig nieder, Du Mutter himmlisch mild!"
Sieh, da umfängt die Kranke ein Schlummer sanft und weich,
Schließt ihr die Augenlider, dem Wiegenkindlein gleich.
Es zog durch ihre Seele ein Traumbild himmlisch schön;
Sie sah die Schmerzensmutter an ihrem Lager stehn.
Sie spricht in süßen Lauten, so liebreich und so gut:
"Sei mutig, treue Seele, Du bist in meiner Hut.
Zieh hin nach jenen Bergen, den Wäldern schwarz und wild -
Im Stamm der alten Buche triffst Du mein Ebenbild.
Darunter sprudelt leise ein Quell so klar und rein
Und dieser Quell so kühle, der wird Dir Labung sein.
Dort netze Deine Glieder mit dem lebendigen Naß
Und netze sie fort wieder, fort - ohne Unterlaß."
Das Herz so sanft erquicket, erwacht die Gräfin bald.
In einer Sänfte ziehet sie hin zu Berg und Wald.
Sie schickt, um zu erkunden, das Bild - den klaren Quell,
Dort, wo sie Heil soll finden, die Diener aus zur Stell.
Doch wie sie emsig spähen, das Auge rundum blickt,
Ward keinem doch von allen der teure Fund geglückt.
Die Herrin hebt voll Sehnsucht den Blick zum Himmel auf;
Da drängt sich durch die Büsche ein Hirsch im raschen Lauf.
"Das ist ein Zeichen Gottes!" ruft sie frohlockend auf,
"Verfolgt des Tieres Fährte, beachtet seinen Lauf."
Ein Diener eilt behende dem Wilde auf die Spur,
Fühlt nicht der Dornen Spitzen, denkt seiner Herrin nur.
Er sieht in Waldes mitten auf grünem Wiesenplan
Hoch eine Buche ragen, das Gnadenbild daran.
Nah' eine Quelle rieselt, daran der Hirsch sich legt,
Und an dem kühlen Sprudel die dürre Zunge netzt.
Da ruft der Diener freudig: "Hier bin ich wohl zur Stell! -
Gottlob, da ist die Buche und hier der klare Quell."
Er kündet schnell der Herrin den bang ersehnten Fund;
Da ließ sie hin sich tragen noch zu derselb'gen Stund.
Und als man zu dem Bilde die Gräfin hingebracht,
Da rief sie froh: "Da ist sie! Die mir erschien zur Nacht!"
Sie wäscht im Quell die Glieder vom Früh zum Abendrot,
Und fühlte schnell entschwinden der Krankheit schwere Not.
Da - in des Abends Grauen - ein Wunder ist zu seh'n:
Die Kranke konnte plötzlich auch ohne Krücken geh'n.
Und eine Freudenträne glänzt auf der Wange ihr;
Sie ruft: "O Gnadenmutter! Nimm heißen Dank von mir.
Nimm gnädig das Gelübde, das ich hier eidlich geb:
Ich will, daß sich in Kurzem, ein Kirchlein hier erheb.
Daß es in fernen Tagen der Nachwelt sei ein Sporn,
Daß zahlreich her sie walle, zum kühlen Wunderborn."
Getreulich hielt die Gräfin ihr streng gegeb'nes Wort,
Denn schon nach kurzen Tagen stand die Kapelle dort.
Und alsbald ward das Wunder in nah und fern bekannt,
Und fromme Pilger wallen her aus dem ganzen Land.
Lebendig lebt die Sage im Mund des Volkes fort. -
Wird nimmermehr verlöschen: vom heil'gen Gnadenort.
Und manchem wird genommen der Krankheit schwere Last,
Der spricht, sich fromm bekreuzend: das tat "Maria Rast".
Verlag Franz Bräuer, Helfenberg - Druck J. Steinbrener, Winterberg -
Aus dem Archiv des Immaculata-Zentrums, Schweiz.
Siehe auch: Pfarre und Gemeinde Helfenberg
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