Gnadenbild in der Wallfahrtskirche "Maria Locherboden"
Neben Lourdes, wo Maria im Jahre 1854 der vierzehnjährigen Bernadette Soubirous erschien, sich selbst die "Unbefleckte Empfängnis" nannte, zum Beten des Rosenkranzes aufforderte und zur Buße mahnte, entstanden im vorigen Jahrhundert noch eine ganze Reihe kleinerer Wallfahrtsorte, die ebenfalls auf eine Erscheinung der Gottesmutter zurückgehen, ohne daß Maria eine "Botschaft" an die ganze Welt gerichtet hätte, sondern wo sie sich einfach als die "Hilfe der Christen", die "Zuflucht der Sünder", das "Heil der Kranken" erwies. Zu diesen Wallfahrtsorten gehört Locherboden im oberen Inntal in Tirol.
Seit dem 15. Jahrhundert wurde an vielen Orten Tirols nach silberhaltigen Bleierzen gegraben. Am Locherboden tat das um die Mitte des 18. Jahrhunderts ein Thamann (Thomas) Kluibenschädl aus Mötz. Er versuchte sein Glück erst auf der Ostseite, dann auf der Westseite, dann am Fuß des Berges, aber die Erzadern versiegten jedesmal, sobald er einige Meter in den Berg vorgestoßen war. Endlich trieb er einen Stollen direkt unter der heutigen Kirche in den Berg hinein. Während er eines Tages wieder am Graben war, senkte sich hinter ihm ein Stein und versprerrte ihm den Rückweg. In dieser verzweifelten Lage wandte er sich an Maira um Hilfe und gelobte, wenn er gerettet würde, am Eingang des Stollens ein Muttergottesbild anzubringen. Er wurde tatsächlich gerettet. Nach der einen Version schlief er ein; als er aufwachte, befand er sich am Eingang der Höhle. Nach einer anderen Version sollen Engel den Stein so weit zur Seite gerückt haben, daß Thamann durch die entstandene kleine Öffnung ins Freie gelangen konnte. Es wurde aber auch erzählt, Thamann habe einfach aus Dankbarkeit, daß ihm beim Schürfen nie ein Unglück zugestoßen sei, beim Eingang der Höhle ein Muttergottesbild aufgehängt. Das scheint die wahrscheinlichste Erklärung zu sein, denn die anderen Berichte tragen zu deutlich legendäre Züge an sich. Heute ist es nicht mehr möglich, mehr über den Ursprung von Locherboden zu erfahen, als was der Kurat Verdroß im Jahre 1865 in der Mötzer Pfarrchronik schrieb: "Über die uralte Grotte "Mariahilf" am Locherboden konnte ich ganz verläßliche Aufschlüsse über deren Ursprung keine erhalten. Nach der Aussage alter Leute verdankt sie ihre Entstehung der wunderbaren Rettung eines Knappen." Sicher ist nur, daß sich etwa seit dem Jahre 1740 am Eingang jener Höhle ein Mariahilfbild befand, was den Bewohnern der Umgebung bekannt war. Aber es scheint nicht, daß dies Bild sich einer besonderen Verehrung erfreute.
Im Jahre 1854 wurde ein neuer Steg zum Bild angelegt und die Höhle erweitert. Das Mariahilfbild, das man während der Zeit, da bei der Grotte bearbeitet wurde, in das Haus der Geschwister Maurer in Zain gebracht hatte, wurde am 15. August in feierlicher Prozession an seinen alten Platz zurückgetragen. Durch die Sprengarbeiten und die Prozession waren die Bewohner der Umgebung auf das Bild aufmerksam geworden, Beter fanden sich ein, Gebetserhörungen werden aus dieser Zeit berichtet. Mit den eingegangenen Spenden konnte die Grotte verschönert werden. Neben dem Mariahilfbild wurde ein fast gleich großes Bild der Schmerzensmutter - wahrscheinlich eine Votivgabe - angebracht.
Um das Jahr 1860 sollte das vom Bergknappen aufgestellte Mariahilfbild - wahrscheinlich eine Holztafel - restauriert werden, nachdem es mehr als hundert Jahre am Eingang der Grotte, jedem Wetter ausgesetzt, gehangen hatte. Aber der Maler, dem diese Arbeit anvertraut wurde, scheint zu der Überzeugung gekommen zu sein, daß sich das alte Bild einfach nicht mehr restaurieren ließ. Daher malte er ein ganz neues, größeres Mariahilfbild auf Leinwand. Es ist jenes Bild, das heute noch in der Kirche über dem Hochaltar hängt. Das alte Bild scheint ursprünglich hinter dem neuen Bild verborgen gewesen zu sein, jedenfalls schrieb der Kurat Verdroß im Jahre 1864 in der Mötzer Pfarrchronik: "Zum Andenken an seine wunderbare Rettung votierte der Knappe ein Mariahilfbild, welches hinter der gegenwärtigen Mariahilftafel vorhanden ist." Leider ist das ursprüngliche Bild verlorengegangen, auf welche Weise, läßt sich heute nicht mehr feststellen. Das neue Bild ist genau wie das ursprüngliche eine Kopie des Gnadenbildes Mariahilf von Lucas Cranach über dem Hochaltar der Bischofskirche in Innsbruck.
Das Interesse an der Grotte und dem Mariahilfbild scheint bald wieder erloschen zu sein, denn es wird berichtet, daß bei schlechtem Wetter Schafe in die Grotte getrieben wurden, so daß sie einem Stall nicht unähnlich gewesen sein muß. Die beiden Bilder, das Mariahilfbild und das Bild der Schmerzensmutter, waren von Staub und Spinnweben fast verdeckt. Aber gerade diesen vergessenen und verwahrlosten Ort hat Maria gewählt, um einer Sterbenden die Gesundheit wiederzuschenken.
(Fortsetzung folgt)
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