Fortsetzung von Teil 1:
Maria Kalb war in Rum bei Innsbruck am 10. Februar 1842 geboren. Sie war ein schwächliches Kind, das bisweilen an Herzkrämpfen litt. Sie war fröhlich und doch wieder auffallend ernst. In der Schule tat sie sich leicht. Sie sang auf dem Kirchenchor, war Mitglied des 3. Ordens des heiligen Franziskus, ging alle zwei bis drei Wochen zu den Sakramenten und gelobte, anfänglich von einem Muttergottesfest zum andern, Jungfräulichkeit. Als sie 15 Jahre alt war, starb der Vater. Zwei ihrer Brüder übernahmen den väterlichen Hof. Maria aber übersiedelte mit der Mutter, ihrem Bruder Johann und zwei jüngeren Schwestern in ein anderes Haus. Später besorgte Maria die Wirtschaft für die beiden Brüder im ehemaligen elterlichen Haus und betreute nebenbei einen kleinen Laden. Eines Abends im Fasching des Jahres 1864 saß Maria bei der Mutter in der Stube und spann. Da drangen zwei maskierte Burschen ein. Einer von den beiden gab Maria einen Stoß in den Rücken, daß sie laut aufschrie. Die Mutter sagte noch: "Maria, jetzt hast du genug!" Damit begann ihre lange, schmerzliche Krankheit. Sie zitterte oft am ganzen Körper, litt unter dauerndem Kopfweh, immer häufiger wurden Ohnmachtsanfälle und Krämpfe. Eines nachts, da sie sich sehr elend fühlte und zu schwach war, um nach Hilfe zu rufen, betete sie zur Gottesmutter. "Da sah ich", schrieb sie später, "in der Höhe vor meinem Haupt ein Mariahilfbild schweben - und sogleich verschwand der größte Schmerz, und ich schlief ein. Als ich erwachte, dachte ich verwundert: Daß ich nicht die Abbildung sah, die ich täglich in unserer Dorfkapelle verehre?" Dieses Bild stellt Maria als Königin des Himmels dar.
Natürlich wurden Ärzte zu Rate gezogen. Dr. Anton Seeger, Bezirksarzt von Solbad Hall, erklärte, es sei ein organischer Nerv verletzt, es handle sich um eine Nervenabzehrung und eine Nervenvertrocknung; es gäbe keine Hoffnung auf Genesung, und man sollte das Doktern ruhig aufgeben.
Der Zustand der Kranken verschlimmerte sich ständig. In der Woche vor Pfingsten 1867 empfing Maria zum erstenmal die Sterbesakramente. Sie konnte kaum mehr Speisen zu sich nehmen und war oft der Sprache beraubt. Dazu bildete sich neben dem Herzen ein großes Geschwür. Bei einem Besuch bei ihrer jüngeren Verwandten Maria Amstein wurde sie von so heftigen Krämpfen befallen, daß sie nicht mehr nach Hause gehen konnte. Von da an blieb sie überhaupt bei dieser Verwandten, von der sie liebevoll gepflegt wurde. Da sie jetzt näher bei der Kirche wohnte, konnte sie auch öfters die heilige Kommunion empfangen. Aber ihr Zustand verschlimmerte sich so sehr, daß man mit ihrem baldigen Tod rechnete.
Seit dem Frühjahr 1871 schöpfte Maria Kalb neue Hoffnung auf die Hilfe der Gottesmutter. Ende April hatte sie ein merkwürdiges Erlebnis - war es eine Erscheinung, war es ein Traum? Lassen wir sie selbst erzählen:
"Ich fühlte auf dem Arme, als ob mich jemand mit der Hand berührte, um mich aufmerksam zu machen, was geschehen werde. Diese Hand gab mir einen Brief von bedeutend großem Format. Auf dem Kuvert war ein wunderschöner Rosenkranz gezeichnet von wunderbar zarter Rosenfarbe. Das ganze Kuvert glänzte wie Gold. Überschrift befand sich keine auf dem Kuvert. Ich fragte, woher der Brief sei. Ich hörte sagen - denn gesehen habe ich niemand, obwohl im Zimmer eine Lampe brannte -, ich solle den Brief aufmachen, dann werde ich sehen, woher der Brief sei. Ich machte ihn auf, und da sah ich das Bild Mariens mit offenem, freundlichem Blick, aus deren Augen Tränen über die Wangen herabperlten. Die Hände hatte sie über der Brust gekreuzt. Der Brief war überschrieben, beiläufig fünf Zoll in der Höhe, mit alter, abgeschossener Tinte, sonst schöner, zügiger Schrift, und darunter stand mein Name mit neuer Schrift, an welcher ich sogleich meine Handschrift erkannte. Was im Brief geschrieben war, las ich nicht. Während dieses Traumes, oder wie ich es nennen soll, fühlte ich keine Schmerzen. Auf eimal fühlte ich mich wieder im früheren kranken Zustand, die Erscheinung war verschwunden und ich sah nichts mehr vom Briefe. Aber erfreut und aufgemuntert war ich über die Erscheinung, daß ich meine Freude nicht mit Worten auszudrücken imstande bin."
Maria Kalb wußte dieses Erlebnis nicht recht zu deuten, sie fühlte nur, wie ihr Vertrauen auf die Gottesmutter gewachsen war. Daher verlangte sie, nach Absam gebracht zu werden: "Führt mich hinüber", bettelte sie, "sie hilft mir ganz gewiß!" In der Tat machten sich drei Freundinnen mit ihr auf den Weg, aber schon am Ende des Dorfes brach sie zusammen und mußte wieder nach Hause gebracht werden.
Ende Juli hatte sie eine zweite Erscheinung. Wieder soll sie uns selbst erzählen:
"Ich bemerkte die Gottesmutter ganz in meiner Nähe, sah sie aber nicht. Sie sprach: 'Du mußt mich suchen im Oberland und den Rosenkranz zu meinen sieben Schmerzen beten!' Ich versprach ihr das mit Freude und betete ihn bald darauf so gut ich konnte. Auch bei dieser Erscheinung fühlte ich nichts von meinen gewöhnlichen Schmerzen, hatte aber eine desto größere Freude, weil ich nun etwas näher wußte, wo ich die Gottesmutter finden könnte."
Was die Worte der Gottesmutter bedeuten sollten, sie solle sie "im Oberland" suchen - als "Oberland" bezeichnete man das Inntal von Innsbruck an innaufwärts -, wußte sie nicht. Wie hätte sie Maria suchen können, da sie doch ans Bett gefesselt war?
Wenige Tage später, am 4. August, hatte Maria Kalb eine dritte Erscheinung. Sie berichtet:
"Da erbklickte ich die Gottesmutter selbst. Sie war großer Statur, von unvergleichbarer Schönheit. Sie trug einen roten Rock (gemeint ist ein vollständiges rotes Kleid), der um die Mitte mit einem schmalen Gürtel um die Lenden zusammengebunden war, an welchem drei funklende Edelsteine prangten, und einen lichtblauen Mantel, der über das Haupt geschlungen und vorne am Gürtel befestigt war und bis auf den Boden niederreichte. Sie winkte mir zu kommen, und wir gingen nebeneinander, mehr schwebend als gehend, schweigend hinauf an der Martinswand vorbei. Ich schaute sie öfters einen Augenblick an; sie aber blickte immer vorwärts und zog mich mit, und ich folgte ihr hocherfreut und überglückselig. Zu einem Berg auf der anderen Seite des Flusses kamen wir wie schwebend, und ich fühlte mich nicht im geringsten ermüdet oder leidend, als wenn ich nicht mehr auf der Welt wäre. Ich sah die Bäume, Gesträuche und den Felsen deutlich. Oben auf einem schmalen Platze mitten im Felsen blieb sie stehen und breitete die Hände nach unten aus, blickte mich an und sprach:
'Dieser ist der Ort, wo du mich suchen mußt!',
und darauf wurde der ganze Berg von einem himmlischen Strahlenkranze erleuchtet. Ich fiel vor Maria auf meine Knie nieder und dankte ihr für die Gnade, die sie mir erwiesen hatte. Als ich wieder aufstand, sprach sie: 'Du stehst auf der Sonnenseite' und zeigte mir die ganze Gegend, sprechend: 'Dort ist Stams, dort Silz, da unten Mötz.' Ich schaute alle diese Ortschaften und sah sie so genau, daß ich die Kirchen und Türme und ihre Bauart und Farbe sehr deutlich erkannte. Nachdem die Gottesmutter gesprochen hatte, verschwand sie; ich setzte mich noch eine Weile und betrachtete die Gegend. Neben mir lagen drei faustgroße Steine, die ich auf eine kurze Zeit anschaute und genau betrachtete. Als ich noch eine Weile mich der Freude über diese Erscheinung hingab, läutete es zum Englischen Gruß, und ich befand mich auf einmal wieder in meinem alten leidenden Zustande auf meinem Krankenbette in Rum."
Im Laufe des Tages erzählte Maria Kalb diese Erscheinung ihren Leuten, aber zunächst wußte niemand, was das für ein Ort sein könnte. Nur die Wirtschafterin des Benefiziaten Posch erinnerte sich - sie hatte seinerzeit im Kloster Stams kochen gelernt -, einmal auf dem Wege nach Mieming an diesem Platz vorbeigekommen zu sein. So kam der Geistliche mit der Nachricht: "Da ist eine kleine Wallfahrt, da heißt man es am Locherboden."
Nun wußte also Maria Kalb genau, wo sie die Gottesmutter suchen mußte, wie aber sollte sie nach Locherboden gelangen? Sie bat ihre Bekannten und Verwandten, sie dorthin zu bringen, aber man suchte ihr das auszureden, da es sich bei der Erscheinung wohl nur um einen Traum gehandelt habe; wenn die Gottesmutter sie heilen wolle, könne sie es doch auch in Rum tun. Man erinnerte sich noch zu gut an den mißglückten Versuch, sie nach Absam zu bringen. Aber da die Kranke nicht aufhörte zu bitten und zu betteln, erklärte die Mutter schießlich: Ja, ja, fahrt nur! Sie hat solches Vertrauen, und die Gottesmutter wird ihr schon doch helfen, daß sie unterwegs nicht stirbt." Auch der Ortsgeistliche, der anfänglich dagegen gewesen war, riet, die Kranke nach Locherboden zu bringen. Endlich erklärte sich ihr Bruder Johann bereit, die Fahrt mit ihr zu wagen.
Fortsetzung folgt.
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